Bremen und Bremerhaven

Auszug aus einem Urlaubsgedicht 2009

 

Es fehlen bei kaum einem meiner Gedichte

einige Worte zur Landesgeschichte.

 

Die Küste lebt logischerweise vom Meer

und das gibt an Stories manch Spannendes her.

Der Christianisierung schon unter den Franken

kann Bremen das Stadtrecht und Bistum verdanken.

Die Stadt an der Weser war Tor in die Welt,

als Hansestadt kam sie zu Macht und zu Geld.

Die Nordsee, sie gibt und die Nordsee, sie nimmt,

das ist keine Weisheit, der Spruch schlichtweg stimmt.

Das Meer ließ allmählich die Weser versanden

und immer mehr Schiffe bei der Flusseinfahrt stranden.

Vom Meer abgeschnitten, ein Flusshafen nur,

eine unfreiwillige Gesundschrumpfungskur.

 

Dann kam einer mit ner Geschäftsidee her:

„Das Meer kommt nicht zu uns – also geh’n wir zum Meer!“

1827 geschah es dann,

ein Neubau als Großinvestition begann:

Bremerhaven an der Flussmündung – draußen am Meer,

Renaissance an der Weser, man war wieder wer.

Gut 15 Jahrzehnte lang boomte wie nie

die Küste dank Werften, Handel und Industrie.

Doch jede Erfolgsstory geht mal zu Ende

und ungefähr seit der Jahrtausendwende

ein neues Wort an den Gewinnmargen reisst

und dieses Wort Globalisierung heißt.

Was Hamburg verspürt, lässt sich hier auch leicht finden:

Konkurrenzkampf, in dem sich die Häfen befinden.

Die Schiffe werden größer, immer tiefer und breiter,

drum buddeln die Häfen an den Fahrrinnen weiter.

An der Elbe, da geht das, an der Weser fast nicht!

Jetzt ist eine ganz neue Lösung in Sicht:

Man plant als Ergänzung zu Bremerhaven

weiter im Westen einen Tiefseehafen.

Wilhelmshaven lässt sich ganz prima ausbauen,

das wird zwar das Wattenmeer ziemlich versauen,

doch was nützt Natur, wenn der Rubel nicht rollt

und daher nur mancher und kaum hörbar grollt.

 

Doch was wird die Zukunft Bremerhaven wohl bringen,

wenn Be- und Entladen woandershin zwingen,

wenn der ganz große Umschlag nicht hier mehr passiert?

Ist diese Stadt schon wieder bald antiquiert?

 

Auf den ersten Blick wirkt es vielleicht etwas spinnert:

an Dubai die Stadt Bremerhaven erinnert.

Der Grund für den Reichtum ist nur sekundär,

es musste beizeiten ein Masterplan her!

Wollte wirklich man sichern die Zukunft in Wohlstand,

ohne dass man auf nur einem einzigen Bein stand,

dann war es geraten, Touristen zu locken

mit Topangeboten, die hau’n von den Socken.

In wenigen Jahren in die Höhe schnellten

moderne Gebäude namens Hafenwelten.

Bremerhaven hat an Sehenswürdigkeiten

den Hafen, Museen und Merkwürdigkeiten.

 

Davon heißt die eine „Klimahaus 8 Grad Ost“:

Bremerhaven nach Süden, Gletscher, Sahel, Dschungel, Frost,

Antarktis nordwärts, Südsee, Arktis, Hallig, dann

kommt der Weltenbummler am Ausgangspunkt an

mit Wissen und Eindrücken toll instruiert –

auch wenn er dazwischen mal schwitzt und mal friert.

Europas Geschichte lief oft darauf raus,

dass Millionen Verzweifelter wanderten aus.

Mit Bremerhaven sich die Hoffnung verband

auf ein besseres Leben in fremdem Land.

Das Museum Deutsches Auswandererhaus

zeigt überaus deutlich das Elend, den Graus

und was man durchlitt in der 3. Klasse –

neben Kurzweil und Luxus der 1. Klasse.

Das Thema des Museums recht unrühmlich ist,

seine Anschaulichkeit man in Schulen vermisst.

 

Seit kurzem ist auch Bremerhaven nicht ohne

eine typisch italienische Fußgängerzone:

komplett überdacht im Mediterraneo

werden Müßiggänger und Shoppingfans froh.

Die riesige Glaskuppel über der Piazza,

Gelati, Pannini, Espresso und Pizza,

dolce far niente in südlichem Ambiente

und Boutiquen in Massen von Anfang bis Ende –

ein Falle, der wirklich nur diese entkommen,

deren Geldbeutel leer ist – bereits wenn sie kommen!

Das Schifffahrtsmuseum, die Docks und die Häfen

nur kurz den Geschmack einer Minderheit träfen.

Das Atlantic Hotel und die Hafenwelten

als Magneten für Massentourismus gelten.

Nun steht finanziell die Stadt auf zwei Füßen:

Tourismus und Handel – und Dubai lässt grüßen!

Vom Bötchen ins Brötchen, vom Boot auf das Brot –

so kommen die Fische und Krabben in Not.

Bei Tag und bei Nacht sind die Fischkutter draußen,

wo wie die Vandalen sie permanent hausen

in den schrumpfenden Mengen an Krabben und Fisch –

Hauptsache billig und viel auf den Tisch.

Und bleiben die Netze mal ab und zu leer,

dann hält eben Büsum als Fanggebiet her.

Das ist zwar wie wildern, doch ist es legal

und sicher der Kutterbesatzung egal.

Man handhabt die Schutzzeit im Winter al gusto,

doch kommen die Fischer auf Dauer in Frust so.

Überfischung die Zukunft ins Aus manövriert,

ohne Krabben und Fisch ist die Zunft ruiniert.

© Gedichte für jedermann/ -frau * Wolf-Henning Blum * Januar 2012