Das Taschentuch

 

Ein Mann, der eine Nase hat –

sie kann spitz sein oder platt –

der weiß, dass er sie putzen muss,

sonst kriegt er überall Verdruss.

 

Wenn morgens er dem Bett entsteigt

und erste Reaktionen zeigt,

dann gehört zur Aufstehphase

ein erstes Kribbeln in der Nase.

 

Eh der Bart ab, der gesprießt,

hat herzhaft er bereits genießt.

Beim einen Male bleibt es nicht,

erneut verzieht er das Gesicht

und kräftig wird herausgehaut,

was über Nacht sich angestaut.

 

Der Griff zum Taschentuch steht an,

auf das man schlecht verzichten kann.

Natürlich geht’s auch ohne das:

Man drückt den Finger an die Nas‘.

Meist hängt am Hemd dann der Salat,

das ist nicht fein, doch auch probat.

 

Ein Tropfenfänger könnte reichen

für das, was eilig will entweichen.

Und auch ein Schnurrbart fängt leicht auf

des Nasenwassers raschen Lauf.

 

Es ist von Übel, wenn man hört,

was and’re Leute furchtbar stört,

wie aus der Nase mit Bedacht

ein Paternoster wird gemacht.

 

Ein feiner Mann tut dieses nicht.

Er drückt ein Tuch an sein Gesicht

und schnaubt und schneuzt

und wischt und putzt

und klappt nach innen, was benutzt.

 

Der überlegte Mann hat zwei

der Taschentücher stets dabei.

Das Taschentuch löst ihm bequem

jedwed auftretendes Problem.

 

Steht ihm der Schweiß mal im Gesicht,

wie schnell ist trocken es gewischt –

genau so die beschlag’ne Brill‘,

wenn er grad etwas sehen will.

 

Hat sich der Mann einmal verletzt,

ist er darüber nicht entsetzt,

denn mit dem Taschentuch sind Wunden

im Handumdrehen schnell verschwunden.

 

Sitzt im Konzert er mäuschenstill,

weil er Musik genießen will,

doch plötzlich er mit Husten kämpft,

dann klingt’s durchs Taschentuch gedämpft.

 

Brennt ihm die Sonne mal aufs Hirn,

dann braucht er keinen Sonnenschirm.

Vier Knoten in das Taschentuch,

das ist ihm Sonnenschutz genug.

 

Steht er mal an der Bahnsteigkante,

weil sie jetzt abreist, die Bekannte,

dann sieht sie lang noch aus dem Zug

sein Abschied winkend‘ Taschentuch.

 

Er wäre viel noch aufzuzählen,

was ihn das Taschentuch lässt wählen.

Vor allem muss aus Stoff es sein,

was in den Hosensack muss rein.

 

Egal, ob Maco, ob Batist,

wenn es nur richtig griffig ist

und ein Gefühl gibt jederzeit

der absoluten Sicherheit.

 

Ein Mann jedoch ohne Gemüt

ein Tempo aus der Tasche zieht.

Kaum ist’s benutzt, wird es beflissen

zum Haufen Umweltmüll geschmissen.

Der Haufen wächst tagtäglich, stündlich,

fast jeder sorgt dafür sehr gründlich.

 

Drum sagt der Mann: Ab heut‘ genug –

ich schneuz‘ ins Macotaschentuch!

 

© Gedichte für jedermann/ -frau * Gerda Meyer-Schlerath* März 1998