Vom Strickmützchen zum Fahrradhelm 





Vater zum Geburtstag

 



Im Leben muss man vieles tragen,



doch kann man ganz präzise fragen,



wo trug man denn des Lebens Last?



Über der Schulter, auf dem Ast?



Mit den Armen? Vor dem Bauch?



Auf dem Kopfe geht es auch.



 

Warum und wann Du was getragen,



die Antwort gibt auf solche Fragen



im Folgenden dieses Gedicht.



Komplett ist diese Sammlung nicht,



doch eine Mode pro Jahrzehnt



habe ich ganz bewusst erwähnt,



weil für die Zeit sie typisch war



und Du es bist, der Träger war.



 

Im ersten Jahr, Sommer wie Winter,



trugst Du - wie wohl die meisten Kinder -



das Wollmützchen „Familien-Strick“ -



das war der ganz normale Chic.



 

Der Staat, in den Du warst geboren,



der wirkte nicht recht ausgegoren.



Man nannte ihn „Demokratie“,



dergleichen hatte Deutschland nie.



Die Seilschaften vom Kaiserreich,



die gründeten Parteien gleich,



die sich z.B. „Stahlhelm“ nannten



und sich an Volkes Dummheit wandten.



Ein jeder machte, was er wollte,



nicht was als Demokrat er sollte.



 

So ging die Republik zugrunde.



Es nutzten diese Gunst der Stunde



von links und rechts die Radikalen,



die sich benahmen wie Vandalen



im ersten freiheitlichen Staate,



so dass sein Ende sehr schnell nahte.



 

Das nächste - nun schon dritte - Reich,



das änderte sehr viel und gleich.



Auch Du wurdest davon erfasst,



denn Deinem Kopf wurde verpasst



ein Schiffchen, das trug die H J,



jetzt warst Du Teil im Einheitstrott.

 

Sehr unterhaltsam war das Ganze,



doch leider sieht man nie das Ganze,



wenn man ein kleines Rädchen ist:



Wer nämlich wen und weshalb frisst.



 

Gefressen wurden viel zu viele,



denn hochgesteckt waren die Ziele.



Um zu erreichen, was man wollte,



die Hutmode sich ändern sollte:



Das Stoffschiffchen war jetzt passé,



der nächste Hut - o weh o weh,



war knitterfrei, schwer und aus Stahl,



er brachte Tod und sehr viel Qual.



Zwar war er gut gegen Beschuss,



doch von der Nase bis zum Fuß



blieb der Körper ungeschützt,



weil der Helm dem Kopf nur nützt.



Erst als ein ganzes Volk verschlissen,



fand man die Hutmode beschissen.



 

Im Menschen wie der Mode Wesen



ist alles schon mal da gewesen.



Die Republik ging diesmal gut



und ganz zivil trug man jetzt Hut,



den jedermann vor jedem zog,



auch wenn er - höflich grüßend - log.



 

Der nächste Hut, der war aus Stroh



und machte seinen Träger froh,



denn Strohhut hieß auch Urlaubszeit



und dafür fuhr man wieder weit



durch viele Länder kreuz und quer:



Die Deutschen waren wieder wer!



Und die Moral, die lautet so:



Besser auf statt im Kopf Stroh.

 





Die 60iger, die waren wild



und seither manches nicht mehr gilt,



was früher außer Frage stand,



denn der Moral und dem Verstand



war damals gar nicht einerlei,



ob „oben ohne“ schicklich sei.



Beim Busen hieß es anfangs „Nein“,



beim Hut gab es ein klares „Jein“.



Auch diesmal fügten Mann und Frau



sich in des Trendes Modenschau.





Kritik nur selten noch ertönt,



man hat sich halt daran gewöhnt.

 

Was Mode und der Trend kreieren,



ließ sich nur selten ignorieren.



Doch letztlich ist es Dir gelungen,



Du lebst heute recht ungezwungen.



Auch Du trägst jetzt Dein Haupthaar offen,



das Hutgeld wird lieber ver… trunken.



Wenn Du zur Kopfbedeckung greifst,



dann nicht mehr, weil man es Dich heißt.

 

Der Radhelm bietet Langzeitschutz



vom Haar bis fast hinab zur Grutz.



Denn bleibt beim Sturz der Kopf O.K.,



tut alles and’re halb so weh



vom Kopfe bis hinab zum Zeh. 

 

© Gedichte für jedermann/ -frau * Wolf-Henning Blum * Januar 2012