Elisabeth
Kaiserin in Wien und Musical in Stuttgart
„Es war einmal…“ Mit diesen Worten
beginnt von Menschen, Taten, Orten
eine Unzahl von Geschichten
uns von „früher“ zu berichten.
Die meisten davon sind nur Märchen
von Einzelnen und auch von Pärchen
die – wenn sie nicht gestorben sind –
noch leben und recht glücklich sind.
Nun ist es leider gar nicht so,
dass jedes Märchen uns macht froh,
denn wenn in der realen Welt
der Ausdruck „märchenhaft“ mal fällt,
dann weiß ein jeder Realist,
dass es die halbe Wahrheit ist,
die dem Betrachter präsentiert.
Die and’re Hälfte wird kaschiert,
womit man eines nur bezweckt:
die Story als Hochglanzprospekt.
Ein Beispiel vor gut 60 Jahren
der Schah und die Soraya waren.
Es flogen – doch das weißt man schon –
erst sie, dann er vom Pfauenthron.
Kein Happyend und keine Rente,
weil er die Tatsache verpennte,
dass der Ausdruck „märchenhaft“
oft einen Haufen Ärger schafft
durch die, die sich nicht blenden lassen,
die glauben, dass zu Recht sie hassen
und darum mit Gewalt versuchen,
nach Möglichkeit den ganzen Kuchen
am Stück in den Besitz zu kriegen –
das führt zu Morden und zu Kriegen.
Vom Schah reisen wir noch ein Stück
in uns‘rer Zeitrechnung zurück.
1850 schon
saß Franz-Joseph auf dem Thron.
Nockerln und Marillenknödel
mampfte Habsburgs Oberdödel
und verzapfte manchen Schmarren,
gewissermaßen Kaiserschmarren.
.
Zwar führte er ab und zu Krieg,
doch reichte es nie für den Sieg.
Drei Kriege dieser Mann verlor,
er war politisch halt ein Tor.
Verkalkt und über 80 schon
verspielte er auch noch den Thron:
Es ging als Blutbad und als Graus
von Wien der Erste Weltkrieg aus.
Das Ende hat er nicht erlebt.
Der Gag ist, dass er weiterlebt
als Teil der guten alten Zeit.
Der Mensch ist nämlich gern bereit,
das Negative zu vergessen.
Stattdessen ist er ganz versessen
auf große Gesten, große Roben,
die will er anhimmeln und loben.
Und das kriegte der Franz in Wien
dank Sissi-Filmen prima hin.
Für jung und hübsch und klug und nett
war zuständig Elisabeth.
Die war zwar adelig geboren,
doch keineswegs dazu erkoren,
von Bayern bis nach Wien zu reisen,
den Franz der Schwester zu entreissen.
Doch ruck-zuck kriegte sie das hin,
der Franz war von ihr weg und hin.
Die Bayerin auf Habsburgs Thron
erkannte Oesterreichs Krise schon
beim Anblick all der vielen Völker
in ihrem Reich: die Italiener,
Slowaken, Polen und Slowenen,
Tschechen, Ungarn und Rumänen,
Serben, Deutsche und Kroaten.
Tja – da darf man dreimal raten,
wie lange das noch ginge gut
im Angesicht der Völker Wut
auf Wien und seine Ignoranz.
Für Franz begann der Totentanz
Jahrzehnte vor dem Weltkrieg eins,
ein Happyend gab’s diesmal keins:
Sohn Rudolf sich das Leben nahm,
sodass die Thronfolge verkam.
Ein Italiener schritt zur Tat
und Sissi starb beim Attentat.
Der Neffe hieß Franz Ferdinand,
der war beliebt im ganzen Land,
jedoch beim Onkel Kaiser nicht.
Der war verkalkt und litt an Gicht,
doch wollte er die Macht nicht missen.
Dem Reich ging es derweil beschissen
und ebenfalls Franz Ferdinand.
In Bosnien, dem fremden Land,
von Serben er erschossen war,
was Auftakt für den Weltkrieg war.
Europa starb schier um die Wette,
doch Franz als einziger im Bette.
Zwei Jahre Karl noch residierte,
dann resigniert kapitulierte.
Mit 34 starb er schon,
der letzte auf dem Kaiserthron.
So schloss die gute alte Zeit,
liegt hinter uns beruhigend weit.
Doch Habsburgs Elend wirkte weiter
in der Person von Romy Schneider.
Sie wurde blutjung Superstar
als Sissi. Diese Rolle war
ihr Glanz und Fluch zur gleichen Zeit:
In Deutschland war man nicht bereit,
sie andersartig zu besetzen,
das musste sie zutiefst verletzen.
Wie im Exil im Nachbarland
sie endlich große Rollen fand,
war international verehrt,
doch lief privat vieles verkehrt.
Als dann ihr Sohn durch Unfall starb,
es ihr den Lebensmut verdarb.
Durch Selbstmord sie ein Ende machte,
die lächelte, doch selten lachte.
Und Franz alias Karl-Heinz Böhm?
Er fand sein Leben selbst nicht schön.
Kino, Geld und Blätterwald
ließen ihn im Innern kalt.
Der Ruhm behagte ihm mitnichten,
er konnte leicht darauf verzichten,
als er einmal in Afrika
den Hunger und das Elend sah.
Er wurde und er ist bis heute
ein Engel für die ärmsten Leute.
Zu Recht man Wohltäter ihn nennt,
das hat der Habsburger verpennt.
Warum schaffte der Franz nicht das,
zumal er doch die Macht besaß?
Wer auf das Musical sich freut,
den Kauf des Tickets nicht bereut.
Er macht bald einen Trip zurück
in alte Zeiten und ein Stück,
das eine Frau thematisiert,
die auch noch heute fasziniert:
Als junge Sissi war sie nett,
bewundert als Elisabeth,
sie war in einem Land der Star,
das wirklich nicht zu retten war.
Kultur und bummeln, speisen, wohnen,
viel Spaß haben, sich dennoch schonen,
das bietet nicht nur Habsburgs Wien,
wir brauchen nur bis Stuttgart zieh’n.
© Gedichte für jedermann/ -frau * Wolf-Henning Blum * Januar 2012