Christo Rei                                                       Sintra 

 

 

 

Portugal 1987



Einige Orte auf der Reise im Wohnmobil

 

Weit sichtbar, hoch über der Bucht

schützt segnend und mit stiller Wucht

Christo Rei sein Lissabon.

Unser Bonn träumt nur davon,

so bunt und reizvoll dazuliegen,

Anmut scheint Alter zu besiegen.

 

Capárica: der letzte Platz

war wörtlich auch der letzte Platz.

An der Straße, in der Sonne,

die Weiterfahrt war eine Wonne.

 

Doch wer verdenkt’s den Portugiesen,

dass sie den Strand für sich erschließen?

Dem Moloch Lissabon entfliehen

lässt Tausende zur Küste ziehen.

Vom Fischerdorf zum Badeort,

der Szenenwechsel setzt sich fort:

Der Sohn fährt nicht mehr raus zum Fischen,

dient lieber an Touristentischen.

Vorwiegend sind es Portugiesen,

die Naherholung hier genießen.

Die Schuld trägt nicht der Landesfremde

am Bauboom und dem Trend zur Wende.

 

Bei Sintra ballt sich die Kultur,

doch ist’s bei Regen eine Schur,

durch Burg, Schloss und Palast zu wandern,

das mussten heute nur die andern.

 

Bei Ericeira wurd’s geruhsam,

das Ausspannen zu seinem Recht kam.

Fortuna half im Fischlokal,

denn wer die Wahl hat, hat die Qual.

Vor Krustentieren graust’s uns beide.

Ganz unten auf der zweiten Seite

stand „Shellfish“ auf der Speisekarte.

Dies Englisch uns sehr gründlich narrte.

Ein leiser Fluch ist Wolf entwischt,

denn was uns schließlich aufgetischt,

war Reis und Krustentiere nur,

von Schellfisch nicht die kleinste Spur.

Der Hunger trieb’s uns schließlich rein –

Fortuna Dank – es schmeckte fein.

Es zeigt sich wieder mehr als gründlich:

ein Vorurteil ist überwindlich!

 

Óbidos hoch auf dem Berg,

vom Areal her nur ein Zwerg,

war Schlüsselfestung alle Zeit.

Hier zeigt sich der Geschichte Leid:

Kelten, Römer, Sueben, Goten

ließen hier so manchen Toten.

Allahs Scharen, Reconquista,

weiter hielt der Tod Fiesta.

Selbst Spanien spürte sehr empfindlich,

dass Ópidos unüberwindlich.

Heut gibt’s sich leise und ganz friedlich,

sehr pittoresk und fast schon niedlich.

 

In Fátima vor siebzig Jahren

war durch Maria zu erfahren:

der Menschheit Zeit zu Ende geht!

In stiller Andacht und Gebet

verharrt der Pilger große Schar,

wo einst nur Feld und Weide war.

 

Das nächste Wunder war Batálha,

was Schlacht heißt und wo Spanien einsah,

dass es nicht Reconquista ist,

wenn man den kleinen Bruder frisst.

Man glaubt noch heute an ein Wunder,

denn Lusitanien ging nicht unter.

Ein Riesendom lässt uns erfahren:

es war vor sechshundertzwei Jahren.

 

Castello de Vide ist eine Stadt,

die noch ein Judenviertel hat.

Dies kleine Land tief im Südwesten

beweist Europa mit am besten,

dass Religion und and’re Rass’

kein Vorwand sind für Fremdenhass.

                       Óbidos                                                         Batálha

 

 

 

© Gedichte für jedermann/ -frau * Wolf-Henning Blum * Januar 2012